Hochfeiler

Das Wetter macht immer noch auf Sommer und Yak hat zwei freie Tage, also was tun ? Mal wieder einen Muggel in den Kitzbühelern oder diesmal noch einmal einen richtigen Berg für Helden der Berge ?
Ausgiebiges Kartenstudium läßt den Anstieg zum Hochfeiler (3509m) auf dem Normalweg als nicht lawinengefährdet erscheinen. Nur der Zustieg zur Hochfeilerhütte (2710m) könnte etwas kritischer sein, aber es liegt sicher noch nicht viel Schnee und die Sonne der letzten Tage müßte die Hänge freigeputzt haben.
Also auf, Rucksack vollgeschaufelt und ab dafür. Eigentlich ist es schon ein wenig spät, aber was solls geh ich halt ein wenig schneller.
Brennerautobahn, Sterzing, rein ins Pfitschtal, Baustelle. Weiter bis zum Talschluß, Baustelle, die Zeit verrinnt. Die Pfitscherjochstrasse ist gesperrt, nicht nur durch ein Schild das man ignorieren könnte sondern auch durch ein Loch und einige Arbeiter in selbigem.
Also weiter unten parken am Gasthof Stein (1555m), zweihundert Höhenmeter mehr, na was solls, bin ja nicht zum Spaß hier.
Es ist nach 15:00 Uhr als das Yak endlich das Gepäck geschultert hat, das Schild das an der Abzweigung steht eine halbe Stunde später, verspricht dass es nur läppische 3 Stunden bis zur Hütte sind. Naja, die Zeitangaben hier in Südtirol sind ja für Kinder und alte Leute, ich werde wohl nur die Hälfte brauchen.
Dummerweise liegt schon wieder so schrecklich viel von dem gräßlich kalten Schnee auf dem Weg, da helfen nur noch Schneeschuhe. Damit geht es dann zwar besser, aber immer noch mühsam. Die Unterberghütten auf gut 1800m sind erreicht als die Sonne untergeht. Yak schwant so langsam dass es doch eine etwas mühsamere Tour werden wird.

Sonnenuntergang im Pfitschtal
 
In ewigen Serpentinen windet sich der Weg im Tiefschnee den Hang hinauf. Ein Blick auf die Karte : Es ist noch ewig weit und dunkel, Hütte liegt auf 2700m ich hab gerade 2000m erreicht und es kommt noch ein langes Flachstück. Aber ganz blöd ist Yak nun auch nicht, das war durchaus im Hinterkopf einkalkuliert, der fast noch volle Mond wir gleich aufgehen und wieder Licht spendieren.
Bis dahin vorsichtiges Tapsen im Licht der Stirnlampe. Der Weg quert immer wieder die Reste von kleinen Grundlawinen die schon vor Tagen abgegangen sind und den Weg mit vereisten Steilflanken versorgt haben. Es wird kalt der Firn ist hart wie Eis. Die Querungen werden immer steiler, zu gefährlich für Schneeschuhe.
Die Steigeisen müssen raus. Zum Glück Grivel und nicht Badeschlapfen von Austri alpin  Grin, dadurch geht es mit Eispickelunterstützung gut voran.
Inzwischen ist der Mond aufgegangen und taucht die Landschaft in surreales, gespenstisches aber wunderschönes Licht. Eine weltentrückte Atmosphäre einfach schön, wenn es nicht so schweinekalt wäre und man den Drecksweg noch finden könnte.
Aber die Auswahl ist gering, links geht es in steilen Fels, rechts 500m fast senkrecht runter, wird schon hier sein der Weg.
Nach einigen weiteren Querungen öffnet sich die Landschaft wieder, jetzt ist guter Rat teuer, wo lang ?
da ist eine Tierspur, die ich schon länger bemerkt habe, anscheinend von einem Fuchs, die geht links in einem Halbbogen zu einer kleinen Scharte, logischer wäre aber der Weg weiter rechts etwas nach unten zu einem Rücken. Naja Logik in den Bergen ? Yak folgt lieber dem Füchslein.
Nach einer Weile taucht eine Brücke auf, die Spur führt genau drüber. Hat recht gehabt das Füchslein, man kann sich doch auf sein Gespür verlassen *gg*
Über eine kleine Kuppe, dann schimmert auf einmal das Dach der Hütte in der Ferne. Es ist kurz vor 22:00. Na vor der Hüttenruhe wirds wohl nix mehr...
Die letzten Meter werden zur echten Qual. Ich bin über 6 Stunden fast ohne Pause unterwegs, im tiefen Schnee und Eis, es ist kalt, so langsam gehen die Kräfte zur Neige. Yak beginnt die Idee mit dem Hochfeiler zu verfluchen. Ja es sollte ne harte, anspruchsvolle Tour sein, aber sooo hart dann doch nicht !
Endlich, es ist 23:00 Uhr, die Hütte ist erreicht. Was ein Glücksgefühl. Meine Gedanken kreisen seit Stunden nur um meinen Schlafsack und die große Flasche Cola im Rucksack.
Aber erst mal den Winterraum finden ! Mehrfach die Hütte umkreisen, dann ist es offensichtlich : Nur das Schild "Winterlager" schaut noch aus dem Schnee. Eine Dachlawine hat den Eingang verschüttet. Naja, was solls, da hängt ja eine Schaufel, bin ja immer noch nicht zum Spaß hier !
Es ist 23:30, Yak betritt den Winterraum, auch der ist gut mit Schnee gefüllt, außerdem hat es weder Heiz- noch Kochmöglichkeit, dafür aber bequeme, dicke Matratzen und vile Decken. Schlafsack auspacken, Cola trinken, warmzittern, einschlafen.....
 
Der nächste morgen. Ich habe ausgezeichnet geschlafen : Keine Schnarcher, keine Furzer, nur Ruhe. Es ist halb 8. Aufstehen und vor die Tür. Auf einem Grasfleck sitzt ein kleiner weißer Fuchs, wohl der, dessen Spuren ich gestern verfolgt hab. Ein Schneefuchs ? Aber die gibts doch nur in Alaska !? Oder ein Hermelin ? Schnell wieder rein und Kamera rauskramen.
Klar dass das Vieh verschwunden ist und auch nicht wieder auftaucht als die Kamera endlich schußbereit ist.
 

Morgenstimmung vor der Hütte
 
 
Also frühstücken und weiter Richtung Gipfel. Die Tour von gestern steckt in den Knochen, aber es kann gar keine Frage sein. Jetzt gehts zum Gipfel. Sieg oder Tod !
Der Weg ist entgegen aller martialischen Anwandlungen aber überraschend einfach. Harter Firn, teilsweise ist der Weg sogar aper. Die Schneeschuhe bleiben in der Hütte zurück, ein Stock und das Eisgerät kommen mit. Es geht schnell höher, die Aussicht ist der Wahnsinn, die Einsamkeit und die Stille sind ein Genuß.
 

Blick zurück
 
 

Blick nach vorn
 
Es geht über eine weite Rampe und eine harte Firnflanke relativ schnell weiter aufwärts, schon um 10 Uhr ist die 3200m Marke erreicht. Eine Pause, noch eine Flasche Cola und ein paar Fotos. Es ist windstill und verhältnismäßig warm.
 
 

Tolles Wetter, Südtirol liegt zu Füßen
 
Immer wieder ist der Weg über längere Strecken schneefrei, ich bin sicher, hier liegt im Juni manchmal mehr Schnee.
Nach einer weiteren Stunde ist der Vorgipfel auf 3420, erreicht, jetzt noch über einen Firngrat etwas ausgesetzt zum Gipfel. Laut Gipfelbuch war seit einem Monat niemand mehr hier, logisch, wer ist schon so verrückt ?
 
  

Nebengipfel des Hochfeiler
 
 

Der große Möseler
 
 

Schlegeisspeicher, Hochferner, im Hintergrund hoher Riffler, Olperer, Schrammacher
 
Es ist windig, daher dauert die Gipfelrast nur Minuten und wird an einer Schneeflanke 100m niedriger nachgeholt. Einige Triumph-SMS verschickt und dann abwärts. Das geht über aufgefirnte Schneefelder sehr schnell, hier wäre man mit Kurzskiern noch etwas glücklicher als ich es ohnehin schon bin.
 
 

Nochmal : Flugzeugblick über Südtirol
 
Abstieg vom Gipfel zur Hütte dauert nur etwas mehr als eine Stunde.
Also noch mal die Möglichkeit zur längeren Rast, dann den Weg zurück zum Parkplatz. In der Sonne sieht alles ganz anders aus als gestern im Mondlicht, außerdem sind die Schneefelder weich, die Querung kein Problem.
Trotzdem zieht sich der Weg auch zurück in die Länge. Die 3 Stunden Zeitangabe sind wohl eher für die Gattung Südtiroler Senioren vom Schlage Messner und Kammerlander gedacht gewesen !?
 
 

Schon wieder : Sonnenuntergang im Pfitschtal
 
Es ist längst wieder dunkel als Yak am Auto ankommt. Das war eine harte, anspruchsvolle Tour, fast am Limit der Leistungsfähigkeit, aber die Belohnung die der Berg bereit hatte war die Schinderei mehr als wert. Ich kann nur jedem raten mal eine einsame Tour im Winter bei Mondschein zu machen, ist ein tolles Erlebnis, muß ja nicht unbedingt der Hochfeiler sein, sowas geht auch in den Voralpen.
 
Fazit : Für erfahrene Alpinisten auch im Winter machbar aber je nach Schneesituation sehr anstrengend. Vielleicht besser zu zweit gehen, notwendig : Schneeschuhe oder Kurzski, vernünftige Steigeisen und Eispickel, außerdem warmer Schlafsack und Kocher wer gerne was warmes trinkt. Der Hüttenzustieg ist nach Schneefällen lawinengefährdet, warten bis die abgegangen sind, das geht auf den Südhängen recht schnell. Der Anstieg von der Hütte zum Gipfel ist nicht lawinengefährdet.

 

12.11.2003 sonnig, mäßiger Wind,  T ~ -10ºC